Diskussion um die Zukunft des Schweizer Arbeitsmarkts
15 Projekte befassten sich im Rahmen des NFP 77 mit der Veränderung des Arbeitsmarkts in der digitalen Transformation. Anfangs November präsentierten vier Forschungsteams ihre Resultate Akteurinnen und Akteuren aus der Praxis.
Die digitale Transformation verändert den Arbeitsmarkt: Einerseits sind zunehmend digitale Fähigkeiten im Berufsalltag gefordert, andererseits verändert die Digitalisierung die Art und Weise, wie Arbeitgeber neue Mitarbeitende suchen und Arbeitnehmende eine neue Stelle finden. In diesem Zusammenhang sind 15 Projekte des NFP 77 unterschiedlichen Phänomenen auf den Grund gegangen. Vier Projekte wurden im Rahmen der dritten Dialogveranstaltung des NFP 77 am 5. November in Bern präsentiert und gemeinsam mit den Akteuren der Praxis diskutiert. Die Veranstaltung wurde vom NFP 77 zusammen mit dem Presenting Partner, dem Staatssekretariat für Wirtschaft Seco, organisiert.
Boris Zürcher, der Leiter der Direktion für Arbeit des Seco, verwies darauf, dass der Schweizer Arbeitsmarkt sehr gut funktioniere. Er habe sich in den letzten Jahren sehr stabil gezeigt. Auch mit der digitalen Transformation wechseln jährlich rund 15% der Beschäftigen ihren Job und die Arbeitslosigkeit ist auf einem stabil tiefen Niveau. Die Forschung des NFP 77 zeigt denn auch, dass sich die Arbeit und die Arbeitsvermittlung durchaus im Zuge der Digitalisierung wandeln, dass dieser der Arbeitsmarkt dadurch aber wenig beeinflusst wird. So zeigt die Forschung von Marlis Buchmann, dass sich die gewünschten Fähigkeiten innerhalb bestehender Berufsprofile stark in Richtung digitaler Kompetenzen geändert haben, dass aber nicht zwingend neue Berufsprofile entstehen.
Tatsächlich gäbe es für Rekrutierende dank der Digitalisierung die Möglichkeit, sich eher an den Fähigkeiten (Skills) eines neuen Mitarbeitenden zu orientieren, als an den Fähigkeitszeugnissen und Berufsabschlüssen. Michael Siegenthaler untersuchte denn auch das Suchverhalten auf Jobplattformen und konnte nachweisen, dass Jobsuchende wenig Bereitschaft zeigen, ihr Berufsfeld für einen neuen Job zu verlassen, auch wenn ihre Fähigkeiten dazu geeignet wären. Auch bei den rekrutierenden Unternehmen sind solche Tendenzen zu erkennen. Conny Wunsch untersuchte ebenfalls das Verhalten der Stellensuchenden auf Jobplattformen, führte aber zusätzlich bei ihnen eine Umfrage durch. Dabei zeigt sich, dass die Einschätzung der eigenen digitalen Fähigkeiten gerade zwischen Frauen und Männern unterschiedlich sind. Diese Selbsteinschätzung hat einen Einfluss darauf, auf welche Stellen sie sich bewerben.
Als neues Phänomen als Folge der digitalen Transformation des Arbeitsmarkt wird häufig die Gig-Work erwähnt. Darunter werden kurzfristige Arbeitseinsätze von Einzelpersonen verstanden, die von einer Online-Arbeitsplattform vermittelt werden. In der Schweiz macht diese Form der Arbeit noch einen sehr geringen Anteil von unter 1% aus. Caroline Straub hat in ihrer Studie untersucht, wie sich die Arbeitnehmenden bei der Plattform-Arbeit fühlen. Dabei zeigt sich, dass sie eine hohe Arbeitszufriedenheit haben und die Freiheiten und die Sinnhaftigkeit dieser Arbeitsform schätzen. Hingegen stellen die Pflege der eigenen digitalen Reputation, der Mangel an Weiterbildungsmöglichkeiten und die unklaren Karrierepfade eine Herausforderung dar.
In der Diskussion der Forschung machte Daniel Lampart vom Gewerkschaftsbund SBG deutlich, wie wichtig gute Forschung für die Optimierung des Arbeitsmarktes ist. Die Plattformarbeit sei nicht grundsätzlich neu. Schon die Einführung der Taxizentralen in den 1950er-Jahren habe dazu geführt, dass aus selbständigen Taxifahrern Angestellte wurden. In diesem Sinne sei auch die Frage, ob Uber-Fahrer selbständige Unternehmer:innen sind oder Angestellte der Plattform - eine Art Déja Vue. Jeannine Erb vom Arbeitgeberverband verwies darauf, dass insbesondere die Berufsbildung durch die Digitalisierung stark herausgefordert ist. Dies verdeutlichen auch die Forschungsprojekte des NFP 77. Die Digitale Transformation erfordert von allen Akteuren daher mehr Flexibilität und Agilität.