Verbessert die Informationstechnologie medizinische Diagnosen?
Computersysteme zur Unterstützung medizinischer Diagnosen sind heute gang und gäbe. Doch kann man diesen trauen und sind sie effektiv? Die Studie verglich den Genesungsprozess von Patientinnen und Patienten mit traditionellen und solchen mit digital unterstützten Diagnosen.
Projektbeschrieb
Das Forschungsteam führte in Notaufnahmestationen von Schweizer Spitälern eine klinische Studie durch, um die Wirkung von computergestützten Diagnosesystemen (CDDS) auf die diagnostischen Prozesse und Patientenergebnisse zu evaluieren. Dabei konzentrierten sie sich auf drei häufige und häufig falsch diagnostizierte Symptome: Fieber, Bauchschmerzen und Ohnmacht. Während der Studie wurden Patientinnen und Patienten entweder traditionell diagnostiziert, also so wie es übliche lokale Praxis ist, oder unter Zuhilfenahme von CDDS. Die Patienten wurden 14 Tage lang begleitet, um Ihre Genesung zu evaluieren.
Hintergrund
Das Gesundheitswesen wird zunehmend digitalisiert. Ein prominentes Beispiel sind Computerized Diagnostic Decision Support Systeme (CDDS), die Daten über Beschwerden von Patienten sammeln um dann mögliche Ursachen vorzuschlagen. Gedacht waren diese CDDS ursprünglich dazu, Ärztinnen und Ärzte zu unterstützen. Mittlerweile umfasst der Begriff auch so genannte «Symptom-Checker», die eine Schnittstelle für Patienten bieten und ihnen direkt Massnahmen empfehlen, wie zum Beispiel den Besuch eines Arztes.
Inwieweit der Einsatz von CDDS die Qualität der medizinischen Diagnosen und damit die Gesundheit einzelner Patientinnen und Patienten tatsächlich verbessert, ist unbekannt. Insbesondere ist unbekannt, ob und wie gut CDDS bei wenig strukturierten Aufgaben funktionieren, wie zum Beispiel die Bewertung häufiger Symptome wie Fieber, Bauchschmerzen oder Ohnmacht.Ziel
Das Ziel des Projekts war es, zu verstehen, welche (falls überhaupt) Auswirkungen CDDSS auf den Diagnoseprozess, die Diagnosequalität und das Patientenoutcome in der Notfallmedizin haben.
Spezifische Ziele:- Vergleich der Genauigkeit der Diagnosen, die wie üblich oder mit Unterstützung eines CDDS diagnostiziert wurden
- Vergleich des diagnostischen Arbeitsablaufs in den oben genannten Gruppen
- Bewertung des Einflusses der CDDS-Nutzung auf Ressourcennutzung und wirtschaftlichen Nutzen sowie die pädagogischen Implikationen für die ärztliche Ausbildung
Bedeutung
Das Forschungsprojekt hat zu einer erhöhten diagnostischen Sicherheit beigetragen. Das Forschungsteam ermittelte die Auswirkungen von CDDS einerseits individuell für Patientinnen und Patienten, andererseits für die Prozessabläufe in der Klinik, und leitete daraus Konsequenzen ab, die für Patienten, Ärzteschaft, Notaufnahmen, politische Entscheidungsträger, Krankenversicherungen, Pädagogen und CDDS-Hersteller und -Forscher relevant sind.
Ergebnisse
Drei Hauptbotschaften
- Diagnosefehler sind in der Notfallmedizin ein häufiges Problem und können gravierende Folgen haben.
- Computersysteme zur Unterstützung medizinischer Diagnosen bewirken keine Verbesserung der Diagnosen in der Notfallmedizin.
- Computersysteme zur Unterstützung medizinischer Diagnosen verändern den Diagnoseprozess anders als erwartet, bewirken seltenere Nachfragen von Personen in Ausbildung und werden je nach Arzt bzw. Ärztin und Kontext sehr unterschiedlich eingesetzt und wahrgenommen.
Originaltitel
The digital diagnostician: how information technology affects medical diagnoses
Projektleiter
Dr. Wolf Hautz, Universitäres Notfallzentrum, Inselspital, Universität Bern