Neue Gäste im Schulzimmer: Wie entsteht Vertrauen in Bildungsroboter?

Im Zuge der Digitalisierung kommen immer mehr Bildungsroboter im Klassenzimmer zum Einsatz.

Wie entstehen Vertrauen und Akzeptanz gegenüber Bildungsrobotern im Schulzimmer? Das ist weniger eine technische Frage als vielmehr ein soziales, pädagogisches und politisches Aushandeln, wie eine Studie ermittelt hat.

In den Schulen werden immer mehr Bildungsroboter eingesetzt – zum Beispiel «Thymio» oder «Blue-Bot». Dabei handelt es sich um physische Geräte, die Kindern das Programmieren und die Robotik näherbringen sollen. Sie sind zum Einsatz in Klassenzimmern konzipiert. Wie häufig bei neuen Technologien und künstlicher Intelligenz löst der Einsatz von Bildungsrobotern in der Öffentlichkeit jedoch gemischte Reaktionen aus. Wie stehen Schüler:innen und Lehrpersonen zu ihnen? Ein Forschungsprojekt unter der Leitung von Marc Audétat (Universität Lausanne) hat unter anderem die Interaktion zwischen Schüler:innen, Lehrpersonen und Robotern sowie neue pädagogische Experimente im Unterricht analysiert.

Die wichtigsten Erkenntnisse

Vertrauen entsteht nicht von alleine – es entwickelt sich durch aktive, positive Interaktionen mit Bildungsrobotern. Ob Roboter als Bereicherung im Klassenzimmer wahrgenommen werden, ist auch vom institutionellen Rahmen und vom öffentlichen Diskurs abhängig. Damit Schüler:innen und Lehrpersonen Roboter sinnvoll in den Unterricht integrieren können, müssen sie Routinen anpassen und Experimente etablieren – es zeigte sich, dass Schüler:innen in pädagogischen Experimenten kreative Strategien im Umgang mit Robotern entwickelten. Eine eindrückliche Erkenntnis war zudem, dass das Lernen mit Robotern bei Kindern mit besonderen Bedürfnissen Fortschritte ermöglichte. Zum Beispiel verbesserte der Robotereinsatz die soziale Interaktion von Schüler:innen mit Autismus-Spektrum-Störung.

Bedeutung für Politik und Praxis

Die Studie macht deutlich, dass Bildungsreformen im digitalen Bereich nicht allein auf Technik setzen sollten, sondern nur dann erfolgreich sein können, wenn Lehrpersonen, Schüler:innen und Expert:innen in die Gestaltung eingebunden werden. Der Einsatz von Robotern braucht sinnvolle Rahmenbedingungen – etwa in Form von Pilotprogrammen oder Leitlinien. Für die Praxis zeigt sich, dass Bildungsroboter Lernprozesse anregen können; gerade für Kinder mit besonderen Bedürfnissen eröffnen Roboter neue Lern- und Interaktionsmöglichkeiten. Mit den richtigen Rahmenbedingungen und dem notwendigen Vertrauen ausgestattet, können Roboter als wertvolle begleitende Lerninstrumente verstanden werden.

Drei Hauptbotschaften

  1. Analyse der Situation: Die Frage, warum und wie der «digitale Wandel» im Zielbereich der Bildungspolitik – lokal, regional, national – stattfindet, sollte beantwortet werden. Dazu gehören auch Fragen wie: Was steht auf dem Spiel? Wer definiert es? Wie wird pädagogisches Fachwissen zu einem integralen Bestandteil des politischen Prozesses? Und wie artikuliert sich das «Vertrauen in die Technologie» in bildungspolitischen Entscheidungen?

  2. Aus Fehlern der Vergangenheit lernen: Es gibt keine fertige technische Lösung für die digitale Bildung oder Pädagogik. Die Einführung von PCs, iPads oder Lernrobotern in Schulen reicht nicht aus, um eine digitale Bildungspolitik zu schaffen. Es ist unerlässlich, dass die pädagogischen Ziele und Inhalte klar durchdacht und definiert sind und dass die Ausbildung der Lehrkräfte geplant und durchgeführt wird, wie die Reform im Kanton Waadt gezeigt hat – ohne dies droht die digitale Bildungspolitik zu scheitern.

  3. Das Digitale in Frage stellen: Wie alle Informationstechnologien in jedem Anwendungskontext, so verändern auch die Bildungstechnologien die Pädagogik und die sozialen Beziehungen im Bildungswesen. Es besteht ein grosser Unterschied zwischen «Lernen für das Digitale» (Üben mit Technologien, um neue Fähigkeiten zu erwerben) und «Lernen mit dem Digitalen» (Nutzung von Technologien zum Lernen in einem bestehenden Bereich). In beiden Fällen sollten die zu erwartenden Vor- und Nachteile nie als gegeben hingenommen, sondern vor der Einführung sorgfältig geprüft und bewertet werden. Viele der in letzter Zeit auf den Markt gebrachten Bildungstechnologien sind nicht für den Einsatz in Schulen geeignet oder bereit.

Wie die Forschenden methodisch genau vorgegangen sind und weitere Hintergründe zum Forschungsprojekt finden Sie auf der NFP 77-Projektwebseite:

Weitere Forschungsprojekte zum Thema «Digitale Transformation» im Rahmen des Nationalen Forschungsprogrammes NFP 77 finden Sie hier: