Digitale Kompetenzen und neue Daten: Irene Bertschek über Erkenntnisse aus dem Modul 3
Irene Bertschek, Mitglied der Leitungsgruppe des NFP 77, spricht im Interview über überraschende Forschungsresultate, neue Daten und was diese für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt bedeuten.
Irene Bertschek ist Mitglied der Leitungsgruppe des NFP 77. Als Expertin für digitale Ökonomie war sie mitverantwortlich für die Auswertung der Forschungsresultate aus Modul 3 (digitale Wirtschaft und Arbeitsmarkt). Im Interview verrät sie, welche Resultate sie besonders überrascht haben.
Frau Bertschek, die Forschungsarbeiten in Modul 3 sind abgeschlossen. Was ist Ihr Gesamteindruck?
Aus den Forschungsarbeiten gehen viele interessante Ergebnisse hervor. Das betrifft zum einen Analyseergebnisse, die zeigen wie sich die Digitalisierung auf Unternehmen und Beschäftigte auswirkt. Zum anderen sind neue Datensätze entstanden, mit denen sich solche Analysen auch in Zukunft weiterführen lassen. Auch neue Methoden kamen zum Einsatz oder wurden weiterentwickelt, um Daten noch präziser analysieren zu können.
Welche Resultate oder Projekte sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Die digitale Transformation zu messen ist ja schon für sich genommen eine grosse Herausforderung, da sie viele Aspekte umfasst. So finde ich es wichtig zu erfahren, ob und wie beispielsweise Unternehmen Künstliche Intelligenz einsetzen oder warum sie KI nicht einsetzen, wie sich die Anforderungen an die digitalen Kompetenzen verschiedener Beschäftigungsgruppen verändern oder wie sich ökonomische Aktivität durch das Aufkommen des E-Commerce verändert. Hierzu wurden in den Projekten neue Daten erhoben und Indikatoren konstruiert, die es ermöglichen diese Entwicklungen in der Schweiz zu verfolgen.
Gab es Erkenntnisse, die Sie überrascht haben?
Interessant – und auch überraschend – finde ich zum Beispiel die Ergebnisse auf Basis einer Befragung von Studierenden, die zeigen, dass Frauen weniger in den Erwerb digitaler Kompetenzen investieren als Männer, u.a. weil sie die Erfordernisse digitaler Kompetenzen in bestimmten Berufen unterschätzen und auch weniger Erträge von digitalen Kompetenzen erwarten als Männer. Dies ist bedenklich, weil es die Beschäftigungs- und Einkommenschancen von Frauen beeinträchtigt. Und es zeigt, wie wichtig es ist, schon junge Menschen über die Bedeutung digitaler Kompetenzen in verschiedenen Berufen zu informieren. Denn digitale Kompetenzen sind nicht nur in IT-Berufen relevant – sie spielen auch in naturwissenschaftlichen, pflegerischen und kreativen Berufen eine zentrale Rolle.
Welche Bedeutung haben die Ergebnisse für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft?
Viele Erkenntnisse basieren auf empirischen Analysen umfangreicher Datensätze und tragen dazu bei, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft darüber zu informieren, wie sich die Digitalisierung vollzieht und wie sich die Potenziale der Digitalisierung besser nutzen lassen für Innovationen und Wohlstand. Zum Beispiel zeigen die Ergebnisse, welche Faktoren entscheidend sind, um mit digitalen Technologien die Produktivität zu steigern – oder wie sich Mitarbeitende mit geeigneten Weiterbildungen auf den digitalen Wandel vorbereiten lassen. Dadurch lassen sich Ansatzpunkte für Politikmassnahmen ableiten.
Eine Übersicht der Projekte aus Modul 3 des Nationalen Forschungsprogramms NFP 77 finden Sie hier:
Übersicht der Projekte aus Modul 3
Die Resultate der einzelnen Forschungsprojekte werden im Laufe des Jahres auf den jeweiligen Projektseiten publiziert. Parallel dazu arbeitet die Leitungsgruppe an einer Synthese, die die Erkenntnisse des gesamten Nationalen Forschungsprogramms übergeordnet zusammenfasst. Die Fertigstellung dieser Synthese ist auf Mitte 2026 geplant.
Modul 3 «Digitale Wirtschaft und Arbeitsmarkt»
Die Forschung erweitert das Wissen über Chancen und Risiken des digitalen Wandels für die Schweizer Wirtschaft und die einzelnen Regionen. Dazu identifiziert sie die Abhängigkeiten der Digitalisierung auf struktureller Ebene und analysiert Chancen und Risiken für den Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Schweiz. Schliesslich wird gefragt, welches die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Regional- und Raumentwicklung, Mobilität, Gesundheit und Umwelt sind.