Besser vermitteln mit Daten: Wie Forschung und Design die Jobsuche effizienter machen
Ein Forschungsprojekt zeigt, wie Arbeitslose in der Schweiz online nach Jobs suchen – und was Klickdaten über Suchverhalten, Jobpräferenzen und die Wirkung von Benefits verraten.
Digitale Technologien haben die Art und Weise, wie sich Arbeitnehmende und Unternehmen im Arbeitsmarkt finden, fundamental verändert. Ein zentraler Aspekt dieses Matchingprozesses sind Online-Jobplattformen.
Dieses Forschungsprojekt unter der Leitung von Michael Siegenthaler (ETH Zürich) untersuchte erstmals, wie Arbeitslose in der Schweiz online nach Jobs suchen – mit dem Ziel, die Stellensuche besser zu verstehen und die Vermittlung zu verbessern.
Kernstück des Projekts waren neuartige Klickdaten die zeigen, wie Stellensuchende durch Inserate navigieren, wonach sie suchen und worauf sie klicken. Kombiniert mit Informationen zu den Stelleninseraten und Registerdaten der Sozialversicherungen eröffnen diese Daten neue Einblicke in das Suchverhalten auf dem Schweizer Arbeitsmarkt.
Als zentrales Projektresultat wurde zudem das interaktive Dashboard www.swissjobtracker.ch entwickelt – ein Instrument zur Echtzeitbeobachtung von Trends auf dem Schweizer Arbeitsmarkt.
Die wichtigsten Erkenntnisse
Die Forschungsresultate zeigen etwa, dass der Suchradius einen grossen Einfluss darauf hat, eine Stelle zu finden. Wer breit sucht, profitiert von einer grösseren Auswahl an potenziellen Stellen. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass eine Ausweitung des Suchradius für alle Stellensuchenden vorteilhaft ist. Stellensuchende, die gezielt suchen sind häufig effizienter und können neu geschaffene Stellen in ihrem Fokusbereich schneller in eine Anstellung umwandeln. Dabei variiert der Suchradius je nach Geschlecht, Bildungsniveau, Herkunft oder familiärer Situation der Stellensuchenden. So legen Frauen mit Kindern mehr Wert auf eine kurze Pendelstrecke zwischen Wohn- und Arbeitsort. Diese Muster deuten darauf hin, dass der erfolgsversprechende Suchradius individuell ist. Sie helfen auch zu erklären, warum arbeitsmarktpolitische Massnahmen, die den Suchradius zu erweitern versuchen ohne die individuellen Bedürfnisse zu berücksichtigen, nicht immer erfolgreich sind.
Zusatzleistungen sind bei der Stellensuche teilweise wichtiger als der Lohn
Die Klickdaten zeigen auch: Nicht nur der Lohn, sondern Zusatzleistungen wie Homeoffice, Firmenwagen oder Kinderbetreuung beeinflussen das Interesse von Stellensuchenden an einem Job. In einem gross angelegten Online-Feldexperiment konnten die Forschenden beweisen, dass Stellensuchende bereit sind auf rund 15 % Lohn zu verzichten, wenn sie im Gegenzug im Homeoffice arbeiten oder einen Firmenwagen nutzen können.
Bedeutung für Politik und Praxis
Das Forschungsprojekt macht deutlich: Entscheidend ist nicht allein, wie viele Stellen ausgeschrieben sind – sondern ob sie von Stellensuchenden überhaupt wahrgenommen werden. Daraus ergeben sich konkrete Handlungsmöglichkeiten für Politik, die öffentliche Arbeitsvermittlung und Unternehmen. So zeigen die Studien, wie datenbasierte Einblicke aus Online-Jobplattformen genutzt werden können, um die Stellensuche gezielter zu unterstützen, Plattformen nutzerfreundlicher zu gestalten und Engpässe auf dem Arbeitsmarkt frühzeitig zu erkennen.
Drei Hauptbotschaften
- Die Forschungsresultate zeigen, dass das Design von Jobplattformen – etwa Voreinstellungen (Defaults), Suchfilter, die verwendete Berufsklassifikation, die Darstellungsweise von Stellenmerkmalen und empfohlenen Stellenanzeigen – einen starken Einfluss darauf hat, welche Jobs Arbeitssuchende sehen und auf welche sie sich bewerben. Systematische wissenschaftliche Auswertungen des Plattformdesigns bergen ein erhebliches, bisher weitgehend ungenutztes Potenzial, die Vermittlung zwischen Arbeitskräften und Stellen effizienter zu gestalten.
- Arbeitgebende in der Schweiz scheinen über beträchtliche Marktmacht zu verfügen. Das liegt unter anderem daran, dass Arbeitssuchende nur selten Beruf oder Region wechseln, sehr unterschiedliche Anforderungen an eine Stelle haben und nur recht wenig auf Unterschiede in der Bezahlung zwischen Stellen reagieren. Die Politik sollte deshalb Massnahmen prüfen, die den Wettbewerb um Arbeitskräfte erhöhen – besonders im Tieflohnbereich. Zum Beispiel könnten Jobsuchende gezielter unterstützt werden, den Beruf oder die Region zu wechseln, und Firmen könnten verpflichtet werden, Löhne in Stellenanzeigen offenzulegen.
- Wenn die öffentliche Arbeitsvermittlung und die Forschung systematisch Klick-, Bewerbungs- und Stellenangebotsdaten erfassen, zusammenführen und analysieren, ermöglichen sie ein wirksameres Monitoring von Arbeitsmarkttrends und «Mismatch» auf dem Arbeitsmarkt. Die wöchentlichen Zeitreihen auf www.swissjobtracker.ch veranschaulichen dieses Potenzial. Das Erfassen und Auswerten dieser Informationen bildet zudem die Grundlage für vertiefte Studien zu den Eigenheiten, Ursachen und Folgen von Jobsuchverhalten.
Wie die Forschenden methodisch genau vorgegangen sind und weitere Hintergründe zum Forschungsprojekt finden Sie auf der NFP 77-Projektwebseite:
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