Arbeit immer und überall: Wie gelingt die Abgrenzung von Beruf und Privatleben?
Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen es, fast überall und immer zu arbeiten. Dieses Projekt entwickelte Massnahmen zur gesundheitsfördernden Abgrenzung von Beruf und Privatleben für Mitarbeitende, Führungskräfte und Teams.
Projektbeschrieb (abgeschlossenes Forschungsprojekt)
In einer grossangelegte Interventionsstudie (N=1645) untersuchte das Forschungsteam, wie erwerbstätige Personen eine gesundheits- und leistungsfördernde Abgrenzung zwischen ihrer Arbeit und ihrem Privatleben etablieren können. Es entwickelte dabei drei verschiedene Interventionsansätze, um spezifische Gruppen anzusprechen: Eine smartphone-App für Einzelpersonen, ein E-Learning-Tool für Führungskräfte und einen Workshop für Teams. Die Teilnehmenden füllten über einen Zeitraum von sechs Monaten vier Online-Befragungen aus, um die kurz- und mittelfristigen Effekte der Interventionen analysieren zu können.
Hintergrund
Die Digitalisierung hat einen starken Einfluss auf Arbeitsprozesse und arbeitsbezogene Kommunikation. Der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien für Arbeitszwecke und die Erwartung, dass Mitarbeitende auch ausserhalb der Arbeitszeiten verfügbar sind, bietet sowohl Chancen als auch Risiken für die Wirtschaft und für die Erwerbstätigen. Organisationen fördern zunehmend den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien und die erweiterte Verfügbarkeit der Mitarbeitenden, um die Produktivität zu steigern. Diese Praktiken, bei denen Arbeit und Privatleben vermischt werden, können als «Integration Enactment» beschrieben werden. Obwohl diese Praktiken immer häufiger werden, gibt es nur wenige Studien über ihre Auswirkungen auf die Leistung. Verschiedene Studien zeigen jedoch, dass sie zu häufigeren Konflikten zwischen Beruf und Privatleben und zu einem schlechteren Wohlbefinden führen können.
Ziel
Das Projekt verfolgte zwei Ziele. Zum einen sollte es das Verständnis der Folgen von «Integration Enactment» erweitern; zum anderen sollte das Forschungsteam drei Interventionen entwickeln und evaluieren, die darauf abzielen, die Abgrenzung der Lebensbereiche zu verbessern. Dies soll Konflikte zwischen Beruf und Privatleben reduzieren, das Wohlbefinden steigern und eine nachhaltige Leistungsfähigkeit fördern.
Bedeutung
Der arbeitsbezogene Einsatz von IKT erleichtert das Vermischen von Arbeit und Privatleben. «Integration Enactment» (also das Arbeiten ausserhalb der regulären Arbeitszeiten und die Verfügbarkeit für berufliche Belange während der Freitzeit) ist mit sowohl positiven als auch negativen Outcomes verbunden. Insbesondere zeigte sich ein negativer Zusammenhang mit der Work-Life Balance der Mitarbeitenden, während es positiv mit der Leistung assoziiert war. Die Interventionen halfen, die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben zu verstärken, jedoch deuten die Ergebnisse auch darauf hin, dass neben dem Einsatz von Taktiken zur Trennung der beiden Lebensbereiche auch die Arbeitsbedingungen angepasst werden sollten, um die Work-Life-Balance zu verbessern. Organisationen sollen sich bewusst sein, dass das Arbeiten ausserhalb der regulären Arbeitszeiten und die ständige Verfügbarkeit das Wohlbefinden der Mitarbeitenden beeinträchtigen können. Unsere wenig zeitaufwendigen und kostengünstigen Interventionen können zwar wirksame Techniken zur Abgrenzung und zum mentalen Abschalten von der Arbeit fördern, sollten jedoch durch weitere Massnahmen ergänzt werden.
Ergebnisse
Drei Hauptbotschaften
- Die berufliche Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie erleichtert die Verschmelzung von beruflichen und privaten Bereichen. «Integration Enactment» (d. h. wenn Mitarbeitende ausserhalb ihrer regulären Arbeitszeiten arbeiten und auch ausserhalb ihrer Arbeitszeiten für die Arbeit verfügbar sind) ist sowohl mit positiven als auch mit negativen Auswirkungen verbunden. Konkret stand die Integration von Arbeit und Privatleben in einem negativen Zusammenhang mit dem Wohlbefinden und der Work-Life-Balance der Mitarbeitenden, während sie sich positiv auf die Leistung auswirkte.
- Der Einsatz von Abgrenzungstaktiken steht in Zusammenhang mit einer besseren mentalen Distanzierung von der Arbeit, was wiederum die Erholung von der Arbeit erleichtert.
- Die entwickelten Interventionen (Smartphone-App, E-Learning-Tool, Team-Workshop) sind wirksam, um den Einsatz von Abgrenzungstaktiken zu erhöhen und die mentale Distanzierung zu verbessern. Zwei der drei Interventionen sind bereits frei zugänglich:
- E-Learning für Vorgesetzte: Their Digital Balance | FHNW
- Workshop für Teams: Our Digital Balance | FHNW
Originaltitel
Information and Communication Technology and Boundary Management - A Multilevel Intervention Program to Promote Work-Nonwork Balance, Well-Being, and Performance