Mit der VR-Brille im Klassenzimmer

Digitale Technologien eröffnen neue Möglichkeiten in der Wissensvermittlung. Im Schulalltag kommt davon aber noch wenig an. Ein Projekt lotet Chancen aus.

Schon lange verkünden visionäre Köpfe die Technologie der Zukunft: VR – die virtuelle Realität. Geht es nach Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, sollen wir bald mit zwei Bildschirmen in der Brille in virtuelle Welten eintauchen. Doch bislang fristet die VR-Brille ein Nischendasein in den Kellern von Tech-Nerds und den Köpfen von Konzernbossen.

Dabei hat sich an der Technik viel getan: Die Geräte sind inzwischen kompakt und preiswert genug geworden, dass sich beispielsweise eine Primarschule einen Klassensatz Brillen anschaffen und den Unterricht virtuell ergänzen könnte. Genau hier setzt das NFP 77-Projekt von der FernUni Schweiz, der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW und der Pädagogischen Hochschule Bern an: Ziel des Projekts ist, einen VR-Unterrichtsblock zu konzipieren und den Einsatz im Klassenzimmer zu testen. Um die Nähe zur Praxis zu gewährleisten, hat die Forschungsgruppe eine Lehreinheit à zwölf Lektionen zum Thema Wasserkreislauf entworfen – ein Thema, das ohnehin im Lehrplan vorgeschrieben ist.

Mittlerweile haben mehrere Primarschulklassen aus Naters im Wallis ihren ersten Lektionsblock in der neuen VR-Lernumgebung absolviert. Bis es so weit war, mussten die Forschenden allerdings einige unerwartete Hürden überwinden: «Einen einzigen Programmierer für die technologische Umsetzung einzusetzen, hat sich als unrealistisch erwiesen», berichtet Trix Cacchione, Projektverantwortliche und Professorin für Entwicklungspsychologie an der FHNW. Nachdem die Projektgruppe das Entwicklungsteam erweitert hatte – unter anderem um ein Gamedesgin-Studio, einen Hydrologen und eine Chemiedidaktikerin – war die virtuelle Lehreinheit schliesslich bereit für die Erprobung im Unterricht: Rund zehn Minuten pro Lektion verbringen die Schülerinnen und Schüler in der virtuellen Realität und tauchen dabei in die Welt des Wassers ein. Ein Wassertröpfchen oder -molekül wird zum Anschauungsobjekt: Die Kinder können selbst mit dem Temperaturregler experimentieren und in Echtzeit beobachten, wann sich Wolken bilden oder es zu regnen beginnt.

Schon jetzt wertet Trix Cacchione den Praxisversuch als Erfolg, auch wenn die wissenschaftliche Auswertung noch nicht abgeschlossen ist: «Wir waren erstaunt, wie schnell die Kinder den Umgang mit der VR-Brille lernen und sich auf den Unterrichtsinhalt konzentrieren können.» Eine wichtige Voraussetzung ist allerdings die Schulung von Lehrpersonen für gelungenen Unterricht mit neuen Technologien. Noch fehlen auch geeignete Lehrmittel für die virtuelle Umgebung. Trotzdem glaubt die Entwicklungspsychologin an den Erfolg der Technologie: «Über das Potenzial wird schon lange diskutiert. Jetzt sind wir langsam auch technisch so weit.» Erste Lehrmittelverlage haben bereits ihr Interesse am Projekt bekundet.

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