Wie KI das Miteinander von Ärzt:innen und Patient:innen verändert
Das Forschungsprojekt zeigt, wie Künstliche Intelligenz die Rollen im Behandlungszimmer verschiebt – und warum Ärzt:innen ihre Patient:innen nicht nur medizinisch, sondern auch kommunikativ begleiten müssen.
Künstliche Intelligenz (KI) wird im Gesundheitswesen zunehmend eingesetzt – etwa zur Unterstützung bei Diagnosen oder Risikoeinschätzungen. Doch was bedeutet es für Patient:innen und Ärzt:innen, wenn Maschinen bei medizinischen Entscheidungen mitwirken? Das Projekt EXPLaiN unter der Leitung von Prof. Bernice Elger (Universität Basel) führte qualitative Interviews mit über 60 Expert:innen und Patient:innen, analysierte internationale Richtlinien, lieferte juristische Einschätzungen und entwickelte ethische Empfehlungen. Im Zentrum stand dabei, wie sich die Beziehung zwischen Ärzt:innen und Patient:innen verändert – und welche Folgen dies hat.
Die wichtigsten Erkenntnisse
Die Forschung zeigt: Der Einsatz von KI verändert die Rollenverteilung im Behandlungszimmer grundlegend. Die klassische Zweierbeziehung zwischen Arzt oder Ärztin und Patient:in wird erweitert – mit der KI als drittem Akteur. Viele Patient:innen empfinden die Systeme als komplex und unausweichlich. Sie befürchten daher, dass ihre Mitsprachemöglichkeit im Behandlungsprozess abnimmt, und sich die Ärzt:innen statt ihnen der KI zuwenden.
Ärzt:innen haben damit eine „narrative Verantwortung“ im Umgang mit KI. Die Art und Weise, wie Fachpersonen über KI sprechen – ob als Fortschrittsversprechen oder als Risiko – beeinflusst massgeblich, wie Patient:innen die Technologie wahrnehmen und beurteilen. Um möglichst unvoreingenommen und neutral über die KI zu informieren, wird die Kommunikation der Fachleute daher zur ethischen Aufgabe.
Bedeutung für Politik und Praxis
Für Politik und Praxis zeigt sich: Es braucht klarere Vorgaben, wann Patient:innen über den Einsatz von KI informiert werden müssen – insbesondere dann, wenn die Systeme nicht nur unterstützen, sondern eigenständig Entscheidungen treffen oder Daten an Dritte weitergegeben werden.
Gleichzeitig ist der Aufbau von Kommunikationskompetenz zentral: Ärzt:innen müssen befähigt werden, den Einsatz von KI im Gespräch mit Patient:innen verständlich einzuordnen.
Auch im Bereich der Daten-Governance besteht Handlungsbedarf – etwa durch klare Verantwortlichkeiten und Standards für die sichere Nutzung von Gesundheitsdaten im Zusammenhang mit der Nutzung und Weiterentwicklung von klinischer KI.
Drei Hauptbotschaften
- Einige Patient:innen befürchten, dass der Einsatz von KI ihre Mitbestimmung in medizinischen Entscheidungsprozessen einschränkt. Dieses Ergebnis zeigt, wie wichtig es ist, Patient:innen darüber aufzuklären, dass ihre aktive Beteiligung an gemeinsamen Entscheidungen auch bei KI-gestützten Verfahren zentral bleibt. Ärzt:innen tragen daher eine neue Verantwortung: Sie müssen nicht nur medizinische Inhalte erklären, sondern auch den Einsatz und die Rolle von KI im Gespräch mit Patient:innen transparent machen.
- Patienteneinwilligung beim Einsatz von KI ist nach geltendem Schweizer Recht derzeit nicht erforderlich – es sei denn, der Einsatz geht über die klinische Entscheidungsunterstützung hinaus.
- Die Weitergabe von Patientendaten an Computerwissenschaftler:innen kann zur Entwicklung präziserer Tools für die klinische Entscheidungsunterstützung beitragen.
Wie die Forschenden methodisch genau vorgegangen sind und weitere Hintergründe zum Forschungsprojekt finden Sie auf der NFP 77-Projektwebseite:
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