Gefährdet der Konsum von digitalen Informationen die Demokratie?
Die digitale Transformation von politischen Informationen beeinflusst politische Einstellungen, Meinungen, Polarisierung und Vertrauen. Dies bringt Herausforderungen für die Demokratie mit sich – aber auch Chancen für ein gezieltes Informationsangebot.
Projektbeschrieb (abgeschlossenes Forschungsprojekt)
Das Projekt untersuchte zwei Fragestellungen. Erstens liefert es eine detaillierte Beschreibung des Online-Nachrichtenangebots und der Exposition gegenüber politischen Online-Informationen unter Schweizer Bürger:innen. Zweitens wurden die Mechanismen analysiert, die das Informationsangebot mit dem Wissen, der Meinungsbildung und der Informationsverarbeitung der Wähler:innen verbinden, sowie die daraus resultierenden Auswirkungen auf die politische Fragmentierung, die Polarisierung und das politische Vertrauen.
Hintergrund
In der Schweiz hat sich die Art und Weise, wie sich die Bürger:innen über Politik informieren, stark verändert. Die Digitalisierung des Informationskonsums wird tendenziell als Bedrohung für die Demokratie angesehen, aber bisher war nicht viel über die Auswirkungen dieser Veränderungen bekannt. In diesem Projekt haben wir daher die Folgen der Digitalisierung für das demokratische Verhalten untersucht.
Ziel
Das Projekt zielte darauf ab, die Beziehung zwischen dem Konsum von Informationen und den politischen Einstellungen und Verhaltensweisen im Kontext der Digitalisierung der politischen Informationen zu verstehen. Das Forschungsteam verfolgte ein ehrgeiziges Forschungsdesign und wandte vier Datenerhebungsstrategien an: Es kombinierte zwei Wellen von Panelerhebungen (im Zusammenhang mit regionalen (Bern) und nationalen Wahlen) mit Tracking-Daten (Clickstream-Daten plus Datenspende) des Online-Informationskonsums der Befragten. Darüber hinaus führte es auch Umfragen durch und bat die Befragten, eine spezielle Version eines Online-Stimmberatungs-Tools zu verwenden, das die Nutzung im Detail verfolgt.
Bedeutung
Dieses Projekt hat gezeigt, dass die digitale Transformation von Informationen eine echte Herausforderung für die Vertrauenswürdigkeit von Informationen und Institutionen sowie für die Polarisierung von Entscheidungen und Einstellungen darstellt. Sie stellt jedoch auch eine klare Chance für die Wähler:innen dar, sich in komplexen Informationsumgebungen zurechtzufinden und politische Entscheidungen zu treffen, die besser mit ihren Präferenzen und ideologischen Neigungen übereinstimmen. Die Betonung dieser Bemühungen und die Vermittlung der Existenz (massgeschneiderter) digitaler Werkzeuge an die Öffentlichkeit könnten die Institutionen der repräsentativen Demokratien stärken und die Verzerrungen, die verschiedene Bevölkerungsgruppen beim Zugang zu den Informationen haben, begrenzen. Darüber hinaus kann die Beibehaltung der traditionellen Medien als Hauptquelle für politische Informationen den Polarisierungsprozess verringern, der bei Wähler:innen zu beobachten ist, die auch andere Informationsquellen konsumieren.
Ergebnisse
Drei Hauptbotschaften
- Der digitale Wandel der politischen Information scheint angesichts der sich verändernden Konsumgewohnheiten unvermeidlich.
Während traditionelle Informationsquellen nach wie vor die grösste Bedeutung für politische Meinungsbildung haben, verlassen sich jüngere Wähler:innen mehr auf das Internet und auf die sozialen Medien. Die digitale Transformation der politischen Information ist ein laufender Prozess. Trotz dieses deutlichen Paradigmenwechsels im Informationsverhalten sind Zeitungen, Fernsehen und Radio (die traditionelleren Informationsquellen) wichtige Informationsquellen für Wähler:innen aller Altersgruppen. - Die Digitalisierung von politischer Information birgt Herausforderungen und Chancen.
Die digitale Transformation der politischen Information stellt eine zentrale Herausforderung für moderne Gesellschaften und repräsentative Demokratien dar. Sie kann dazu führen, dass Menschen weniger Vertrauen in politische Institutionen und Informationen haben. Dadurch verbreiten sich Fehlinformationen leichter, und es wird schwieriger, falsche Inhalte richtigzustellen. Darüber hinaus verstärken der algorithmische Charakter digitaler Informationen sowie ihre Fülle das Risiko, dass man sich selektiv nur kongruenten Informationen aussetzt, d. h. Informationen, die mit den persönlichen Überzeugungen übereinstimmen. Dennoch stellt die Digitalisierung politischer Informationen auch eine Chance für moderne Gesellschaften dar. Informationen sind leichter verfügbar, was die Kosten der Information senkt. Darüber hinaus ermöglicht die Digitalisierung politischer Informationen die Entwicklung von Software, die den Wähler:innen massgeschneiderte Informationen liefert und ihnen hilft, in einem komplexen Informationsumfeld konsistente politische Entscheidungen zu treffen. - Die öffentlichen Medien haben eine grosse Bedeutung bei der Bewältigung der Herausforderungen, die sich aus der Digitalisierung von politischen Informationen ergeben.
Die öffentlichen und nationalen Medien spielen eine wichtige verbindende Rolle für die politische Information in der Schweiz. Diese Medien haben eine ideologisch breit gefächerte Leserschaft, welche die ideologische Verteilung widerspiegelt, und sie werden von den Bürger:innen im ganzen Land konsultiert, was das Risiko einer erhöhten selektiven Exposition im Zusammenhang mit der Digitalisierung politischer Informationen verringert. Die Konsument:innen der öffentlich-rechtlichen Medien haben mehr Vertrauen in die politischen Institutionen, und die Inhalte schaffen mehr Vertrauen in Informationen als andere Quellen. Öffentliche Medien sind auch effektiver als andere Quellen, wenn es darum geht, die falschen Vorstellungen der Wähler:innen zu korrigieren.
- Der digitale Wandel der politischen Information scheint angesichts der sich verändernden Konsumgewohnheiten unvermeidlich.
Originaltitel
Online News Exposure: A Threat to Democracy? How Digital Transformation Affects Opinion Formation, Political Polarization and Trust