Der digitale Wandel fordert unsere Bildungssysteme grundlegend heraus

Rebecca Eynon ist Mitglied der Leitungsgruppe des NFP 77. Als Professorin für Pädagogik, Gesellschaft und Internet ist sie mitverantwortlich für die Auswertung der NFP 77 Forschungsresultate aus dem Modul 1 zu den Themen Bildung, Lernen und digitaler Wandel.

Frau Eynon, die Forschungsarbeiten in Modul 1 sind abgeschlossen. Was ist Ihr Gesamteindruck?

Die im Rahmen von Modul 1 geförderten Projekte haben auf vielfältige und relevante Weise auf die komplexen Wechselwirkungen zwischen Lernen, Bildung und digitalem Wandel reagiert. Die meist interdisziplinär angelegten Projekte gingen zentralen Fragen der digitalen Transformation in Schule, Hochschule und Arbeitswelt nach und beleuchteten kritisch, welche Folgen sich daraus für das Lernen im Alltag ergeben – über alle Altersgruppen hinweg, von der frühen Kindheit bis ins hohe Alter.

Welche Resultate oder Projekte sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Viele der Projekte unterstreichen die Bedeutung der gemeinsamen Entwicklung von Technologien mit relevanten Anspruchsgruppen. Solche Co-Design-Prozesse erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Bildungstechnologien unter Berücksichtigung des Fachwissens von Lehrpersonen und Forschenden gestaltet werden – und somit auch tatsächlich von Schüler:innen und Lehrkräften auf allen Bildungsstufen genutzt werden. Ein Beispiel hierzu liefert das Forschungsprojekt von Prof. Jaccard und seinem Team zur Entwicklung eines digitalen Labors für die kollaborative Entwicklung digitaler Lernspiele.

Ein digitales Labor zur kollaborativen Entwicklung von digitalen Lernspielen

Andere Projekte bieten wichtige Einblicke, wie digitale Technologien das Lernen und Lehren verbessern können – betonen jedoch gleichzeitig, wie zentral es ist, deren Einsatz mit pädagogischen Konzepten abzustimmen und Lehrpersonen institutionell zu unterstützen. Ein Beispiel ist das Projekt von Prof. Petko und seinem Team zur digitalen Transformation auf der Sekundarstufe II.

Wie steht es um die digitale Transformation der Sekundarstufe II?

Sowohl innerhalb als auch ausserhalb des formalen Bildungssystems fördern viele Projekte die Bedeutung digitaler Kompetenzen in allen Alters- und Lebensphasen – als Grundlage für persönliche Entwicklung, gesellschaftliche Teilhabe und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Die Förderung dieser Kompetenzen ist ein fortlaufender Prozess, der in der frühen Kindheit beginnt und bis ins Rentenalter reicht. Als Beispiel ist hier das Projekt von Prof. Marinus und Kolleg:innen zu den Vorstellungen von Kindern über Informatik und Programmierung zu erwähnen.

Wie funktioniert's? Vorstellungen von Kindern zu Informatik und Programmieren

Welche Bedeutung haben die Ergebnisse für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft?

Im gesamten Modul 1 sind die Projekte einem doppelten Anspruch verpflichtet: Sie verfolgen einerseits das Ziel, die Forschung voranzutreiben, sind andererseits jedoch fest in der Praxis verankert. Diese Ausrichtung hat es den Projekten ermöglicht, direkt mit einer Vielzahl von Anspruchsgruppen in Verbindung zu treten – darunter Lehrpersonen, Forschende, EdTech-Unternehmen, staatliche Stellen, Familien und selbstverständlich auch die Lernenden.

Wenn Sie auf die Forschungsresultate im Kontext von Bildung und digitalem Wandel zurückblicken: Gibt es eine übergreifende Erkenntnis oder Fragestellung, die für Sie persönlich besonders bedeutsam war?

Der Fokus auf Bildung, Lernen und Digitalisierung berührt grundlegende Fragen danach, welche Form von Bildung eine Gesellschaft anstrebt – und wie sichergestellt werden kann, dass alle Menschen im Verlauf ihres Lebens Zugang zu einer hochwertigen und inklusiven Bildung erhalten. Diese grundlegenden Fragen, die eng mit der Vision einer demokratischen und gerechten Gesellschaft im Zeitalter des digitalen Wandels verknüpft sind, ziehen sich durch Modul 1 und spiegeln sich auch in den zentralen Themen des NFP 77 wider.

Eine Übersicht der Projekte aus Modul 1 des Nationalen Forschungsprogramms NFP 77 finden Sie hier.

Die Resultate der einzelnen Forschungsprojekte sind auf den jeweiligen Projektseiten publiziert. Die Leitungsgruppe des Nationalen Forschungsprogrammes arbeitet momentan an einer Synthese, die die Erkenntnisse des gesamten Forschungsprogramms übergeordnet zusammenfasst. Die Fertigstellung dieser Synthese ist auf Mitte 2026 geplant.