Digitale Strategien: Hochschulen und Disziplinen als Agenten des Wandels?

Schweizer Hochschulen auf setzen sich auf unterschiedliche Weise mit dem digitalen Wandel auseinander. Das Projekt untersucht verschiedene digitale Initiativen, Strategien und andere Aktivitäten an Hochschulen und in der Wissenschaft.

  • Projektbeschrieb (abgeschlossenes Forschungsprojekt)

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    Die digitale Transformation ist seit 2014 sowohl in der Schweizer Hochschul- und Forschungspolitik als auch innerhalb Hochschulen zu einem zentralen Thema geworden. Über dieses Thema hat sich rasch ein Wettbewerb um materielle und immaterielle Ressourcen (Finanzierung, Aufmerksamkeit, Legitimität und Studierende) etabliert – zwischen Hochschulen, Fachbereichen und Forschenden. Das Forschungsteam zeigt auf, welche Strategien und Pfade schweizerische Hochschulen und disziplinäre Felder nutzen, um sich einen relativen Vorteil zu verschaffen, weil sie darin Chancen und Opportunitäten erkennen. Das Projektteam untersuchte dazu digitale Aktivitäten in Forschung und Lehre, analysierte Strategiedokumente und führte zahlreiche Interviews mit Leitungspersonen, Forschenden und Verwaltungsangestellten durch.

  • Hintergrund

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    Schweizer Universitäten, insbesondere die beiden ETHs, haben in früheren Jahrzehnten die Grundlagen für die digitale Transformation entwickelt. Seit 2014 erfährt das Thema Digitalisierung jedoch sowohl in der Hochschul- und Forschungspolitik als auch in den Hochschulen selbst erneut eine grosse Aufmerksamkeit. Bund und Kantone reagieren darauf mit zahlreichen Ankündigen für bildungs- und forschungspolitische Fördermassnahmen, während die Hochschulen digitale Initiativen und Strategien lancieren.

  • Ziel

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    Das Forschungsteam stellte anhand empirischer Forschung die Vielfalt der strategischen Initiativen im Hochschulwesen dar. In Fallbeispielen erarbeitete es exemplarisch, wie sich Schweizer Hochschulen am Beispiel der digitalen Transformation auf neue Trends und Themen einstellen, sich diese aneignen und welche Veränderungsprozesse dies innerhalb der Hochschulen auslöst.

  • Bedeutung

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    Das Projekt leistete einen Beitrag zur Hochschul- und Wissenschaftsforschung in der Schweiz. Die Analysen und Resultate tragen dazu bei, Veränderungsprozesse an Hochschulen und in der Wissenschaft zu beobachten. Diesbezüglich schuf das Forschungsprojekt eine wichtige Voraussetzung, um die vielfältigen Facetten der digitalen Transformation an Hochschulen und in der Wissenschaft zu erfassen, etwa bei der Entstehung neuer Forschungsgebiete und Disziplinen, neuen Lehrformen und Didaktiken, auf Ebene der Administration und Infrastrukturen oder hinsichtlich des Wandels der wissenschaftlichen Publikationskulturen.

  • Resultate

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    Drei Hauptbotschaften

    1. Die autonomen Hochschulen in der Schweiz zeigen ein hohes Mass an Initiative und Reaktionsfähigkeit, wenn es darum geht, ein als zukunftsrelevant erachtetes Thema in den öffentlichen Diskurs zu bringen. Eine wichtige Erklärung dafür ist, dass auch formal autonome Universitäten auf materielle und immaterielle Ressourcen angewiesen sind, nämlich auf Reputation, Aufmerksamkeit, finanzielle Unterstützung durch ihre Trägerschaft und auf die Rechtfertigung (Legitimation) ihrer nahezu vollständigen öffentlichen Finanzierung. Alle Akteure – von den Universitäten und ihren teilautonomen Einheiten bis hin zu den einzelnen Wissenschaftler:innen – suchen nach Möglichkeiten, ihre relative Position bei der Ressourcensicherung gegenüber anderen zu verbessern. Dies nimmt oft die Züge eines Wettbewerbs an, wobei je nach Akteur:in und Ebene sehr unterschiedliche Wettbewerbsräume entstehen. In all diesen Räumen ist es für Beobachter:innen wichtig, zwei Dimensionen zu unterscheiden: einerseits die rhetorische Aneignung des Themas «Digitalisierung» auf der Ebene der Selbstdarstellung und andererseits die wissenschaftliche, gelehrte und inhaltliche Aneignung des Themas in Forschung, Lehre und Weiterbildung. Die Hochschulen sind sehr aktiv und kreativ, wenn es darum geht, sich als relevante Akteurinnen einzubringen oder ein aktuelles Thema für ihre Interessen und Zwecke zu nutzen. Dies kann zumindest bis zu einem gewissen Grad als Indiz dafür gewertet werden, dass das durch die Reformen seit den 1990er-Jahren aufgebaute und weiterentwickelte Governance- und Finanzierungssystem eine positive Wirkung zeigt.
    2. Es herrscht Wettbewerb im Schweizer Hochschulsystem. Dieser wirkt sich insbesondere auf die Bereitschaft und Aktivität aus, neue Themen aufzugreifen und somit neue Möglichkeiten für die Verfolgung der eigenen Interessen zu eröffnen.
      Auf allen Ebenen versuchen die Hochschulverwaltungen, Forscher:innen, Forschungsgruppen sowie Fachbereiche und interdisziplinäre Gemeinschaften relative Vorteile zu erlangen im Wettbewerb um finanzielle Mittel, Personal, Karrierepositionen, Aufmerksamkeit, Deutungshoheit, Reputation und Legitimität. Das Thema «Digitalisierung» hat gezeigt, dass dieser Wettbewerb vielschichtig ist – oder besser gesagt, dass viele Akteur:innen dieses Thema nutzen, um sich im Wettbewerb um Ressourcen einen Vorteil zu verschaffen und sich zu profilieren. Daraus lassen sich zwei Schlussfolgerungen ziehen: Erstens kann «Digitalisierung» in einer breiteren Perspektive als ein Beispiel verstanden werden, um die Anpassungs- und Innovationsfähigkeit von Hochschulen angesichts neuer, teilweise wettbewerbsgetriebener Fragestellungen zu untersuchen und zu verstehen. In dieser Perspektive kann der «Digitalisierung» als Beispiel für die Überwachung der Wettbewerbsfähigkeit und der Strategien von Hochschulen und Forscher:innen dienen. In diesem Zusammenhang ist die «Digitalisierung» ein interessantes Beispiel, weil sie fast alle Disziplinen herausfordert, da sie auch die wissenschaftlichen Methoden und die Arbeit selbst verändert. Zweitens kann der Wettbewerbsrahmen in einer engeren und inhaltsspezifischen Perspektive helfen, die digitalen Aktivitäten an Hochschulen und in der Wissenschaft zu interpretieren und zu erklären.
    3. Dieses Projekt hat dazu beigetragen, die Dimensionen zu klären, in denen die Digitalisierung an und durch Hochschulen beobachtet und untersucht werden kann. Digitalisierung ist ein sehr allgemeiner Begriff für einen sehr vielfältigen und vielschichtigen Prozess. Für den Bereich der Schweizer Hochschulbildung hat das Forschungsteam einige ausgewählte Dimensionen dieses Wandels empirisch untersucht, wobei der Fokus auf Dimensionen lag, die durch aktives, interessengeleitetes Handeln getrieben werden, sei es in einer Bottom-up- oder einer Top-down-Logik. Die Ebenen und Dimensionen umfassen die inhaltliche Ebene, die sich in neuen Forschungsbereichen, neuen Forschungsthemen, neuen Disziplinen, aber auch neuen Studiengängen niederschlägt. Auf administrativer Ebene sind die Infrastrukturen für Forschung und Lehre sowie die didaktische Dimension der Lehrformate und -formen relevant. Weiter gibt es den Aspekt der Digitalisierung der wissenschaftlichen Arbeit selbst, ihrer Veröffentlichung und Auswertung. Hinzu kommen die externen Effekte der Forschungs- und Lehrtätigkeit der Hochschulen.
  • Originaltitel

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    Universities and scientific disciplines as drivers of digital innovation and catalysts of digital change. Societal expectations, strategic positioning, and competition for relevance in Swiss Higher Education.