Mehr demokratische Mitsprache dank Digitalisierung?

Die digitale Demokratie eröffnet Perspektiven für eine aktive und umfassende Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.

Die digitale Transformation bietet neue Chancen für politische Mitsprache – wird aber noch wenig genutzt. Dieses Projekt testete zwei Prototypen und zeigt: Sorgfältig gestaltete Formate können demokratische Prozesse sinnvoll ergänzen.

  • Projektbeschrieb (abgeschlossenes Forschungsprojekt)

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    In diesem Projekt untersuchte ein Forschungsteam von Année Politique Suisse (Universität Bern), welches Potenzial die digitale Transformation bietet, um Bürgerinnen und Bürger stärker und selbstbestimmter in politische Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Dafür wurden zwei Prototypen digitaler demokratischer Innovationen entwickelt, erprobt und ausgewertet – also neue Formate der Online-Bürger:innenbeteiligung.

    In der ersten Fallstudie erarbeiteten tausend zufällig ausgewählte Wahlberechtigte aus der Gemeinde Köniz (BE) einen Fragebogen für smartvote zu den lokalen Wahlen. In der zweiten Fallstudie verfasste eine ebenso grosse Stichprobe von Stimmberechtigten aus der Deutschschweiz im Vorfeld der eidgenössischen Abstimmung im Juni 2023 Argumente für und gegen das Klima- und Innovationsgesetz.

    Beide Fallstudien wurden auf der eigens entwickelten Beteiligungs- und Diskussionsplattform „Demokratiefabrik“ durchgeführt. Diese Plattform wurde nach klaren demokratischen Prinzipien gestaltet und bot den Teilnehmenden vielfältige Mitwirkungsmöglichkeiten: Sie konnten eigene Stellungnahmen und Kommentare verfassen, Beiträge anderer bewerten und überarbeiten sowie – je nach Studie – Fragen für smartvote oder Argumente zu einer Abstimmungsvorlage vorschlagen. Der Austausch mit anderen Teilnehmenden war zentraler Bestandteil des Prozesses.

  • Hintergrund

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    Die negativen Auswirkungen der Digitalisierung auf Demokratien wurde jüngst breit erforscht: So etwa, inwiefern digitale Kommunikationskanäle Vertrauen und gegenseitigen Respekt mindern und inwiefern sie den Populismus stärken. Hingegen fehlten Ansätze, die untersuchen, wie man Digitalisierung nutzen kann, um Demokratie zu stärken. Eine solche Perspektive boten die Forschenden mit diesem Projekt, indem sie zwei digitale Beteiligungsformate untersuchten.

  • Ziel

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    Das Forschungsprojekt widmete sich der Frage, ob die beiden digitalen Beteiligungsformate hohe demokratietheoretische Anforderungen in Bezug auf Prozess, Ergebnis und politische Legitimation erfüllen können. Zudem wurde untersucht, ob die Bevölkerung über genügend Motivation verfügt, um an solchen Formaten teilzunehmen, und welche Kompetenzen die Teilnehmenden durch die Beteiligung am Projekt erlangen.

  • Bedeutung

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    Sorgfältig gestaltete digitale Beteiligungsformate könnten eine praktikable und gewinnbringende Ergänzung zu herkömmlichen Formen politischer Partizipation sein. Nicht zuletzt eröffnet die Ortsunabhängigkeit digitaler Beteiligung neue Möglichkeiten für eine breitere und aktivere Einbindung der Bevölkerung. Zudem können solche Formate im Idealfall auch Bevölkerungsgruppen stärker ansprechen, die sich eher weniger häufig traditionell – also an Abstimmungen – beteiligen.

  • Ergebnisse

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    Mit der Plattform «Demokratiefabrik» konnte das Forschungsteam aufzeigen, dass digitale Beteiligungsformate funktionieren können. Die beiden Fallstudien legen nahe, dass solche Formate bei der Bevölkerung auf Interesse stossen und das Potenzial haben, politische Mitsprache breiter zugänglich zu machen. Sie können neue Zielgruppen ansprechen, darunter auch Menschen mit geringem Vertrauen in politische Institutionen, und dazu beitragen, gesellschaftliche Spannungen zu entschärfen. Zugleich machen die Ergebnisse deutlich, dass digitale Formate bestehende Herausforderungen wie Beteiligungsungleichheiten nicht automatisch überwinden. Die folgenden drei Schlussfolgerungen lassen sich ziehen: k.

    Drei Hauptbotschaften

    1. Positive Wahrnehmung digitaler demokratischer Innovationen:
      Digitale demokratische Innovationen wie die «Demokratiefabrik» stossen bei der Bevölkerung auf recht breite Zustimmung. Besonders geschätzt werden sowohl das Verfahren selbst als auch die erarbeiteten Ergebnisse. Das Interesse an einer Teilnahme ist gross, Eingeladene beteiligen sich engagiert, und der Prozess wird insgesamt als fair empfunden – das Resultat wird als legitim erachtet.
    2. Beitrag zur Überwindung gesellschaftlicher Spaltung:
      Die Forschung weist auf einen zentralen Vorteil digitaler demokratischer Innovationen wie der Demokratiefabrik hin: Sie können dazu beitragen, gesellschaftliche Gräben zu überbrücken und Polarisierung abzumildern. Nach der Teilnahme an der Demokratiefabrik bewerteten Teilnehmende andersdenkende Mitbürger:innen (in Bezug auf Klimaschutzmassnahmen) weniger negativ als Personen aus der Kontrollgruppe, die nicht an der Demokratiefabrik teilgenommen haben.
    3. Ambivalente Befunde zur Inklusion:
      Bezüglich der Beteiligungsmuster zeigen sich ambivalente Befunde. Einerseits lassen sich häufig dieselben Beteiligungsungleichheiten feststellen, wie sie auch bei herkömmlichen politischen Partizipationsformen bekannt sind (bsp. die geringe Teilnahme älterer Frauen). Andererseits deuten die Ergebnisse darauf hin, dass digitale demokratische Innovationen auch ein Mittel sein können, um politisch enttäuschte Bürger:innen stärker einzubinden.
  • Originaltitel

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    Digital Democratic Innovations to Empower Citizens in the Digital Age